Chronik

Entstehung der Strecke und das 1. Rennen 1923

1924 - Hinten im Wagen links Carl Slevogt, der Entdecker des Schleizer Dreiecks, daneben Sportpräsident Dr. Bruckmayer, München.
1924 – Hinten im Wagen links Carl Slevogt, der Entdecker des Schleizer Dreiecks, daneben Sportpräsident Dr. Bruckmayer, München.

„Die Teuerung auf allen Gebieten des Lebens steigt jetzt ins Ungemessene, Katastrophale. Der Tausendmarkschein spielt jetzt die bescheidene Rolle eines Fünfzigers der Friedenszeit“. Als das damals in der Schleizer Zeitung stand hat auch die Geburtsstunde des Schleizer Dreiecks geschlagen.

Carl Slevogt, der Chefkonstrukteur und Direktor der Apollo-Werke Apolda, stattete im Jahre 1922 der Stadt Schleiz einen Besuch ab und fand das Straßendreieck welches die Ausfallstraßen Schleiz – Hof, Schleiz – Plauen und die Verbindungsstraße Heinrichsruh – Waldkurve (Prinzessinnenweg) bilden recht geeignet für eine Versuchsstrecke. Dann hat er die „entdeckte“ Strecke als Gausportleiter des ADAC als Teststrecke für Brennstoffverbrauchsprüfungen weiter empfohlen.

Alle Vorbereitungen gingen bis zum 9.Juni 1923 weitestgehend an den Schleizern vorbei, erst dann erfuhren sie aus der Zeitung was da am nächsten Tag passieren sollte. An Publikum fehlte es dann jedoch trotzdem nicht, auch Teilnehmer waren genügend gekommen, die Gasthöfe waren bald ausgebucht und einige der Fahrer mussten sogar in Privatquartieren untergebracht werden.
Der erste Start auf dem Straßendreieck wurde dann am Morgen des 10.Juni vor dem Gasthaus „Weidmannsruh“ in Oberböhmsdorf vollzogen. Sieger sollte der Fahrer werden, welcher mit 5 Liter Kraftstoff die längste Strecke und höchste Geschwindigkeit erreichte.

Die ersten Sieger auf dem Dreieck waren dann:
Bei den Automobilen gewann Huldreich Heußer aus Kleinschmalkalden auf Wanderer. Er kam 87,3km weit und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von beachtlichen 41,4km/h.
Sieger des Motorradrennens, von 6 Runden, am Nachmittag wurde Horst Raebel aus Apolda. Er erreichte mit seiner 1000er Mars 64,2km/h.

Die Presse meldete zu diesem regionalen Großereignis:
„Am gestrigen Sonntag ist unserer Bevölkerung klar und deutlich vor Augen geführt worden, was das Straßendreieck bei Schleiz ist. Es ist etwas Einzigartiges, zumindest in Deutschland. Es ist eine vorzügliche Fahrbahn für Hindernisrennen für Autos und Motorräder, wie weit und breit keine bessere zu finden ist….“

Außerdem war in der Schleizer Zeitung zu lesen:
„Das ist ein neuer Anziehungspunkt, eine neue Sehenswürdigkeit und eine neue Lebensquelle für die Stadt. Deshalb wird auch der Verkehrs- und Verschönerungsverein der Stadt Schleiz nicht verfehlen, in diesem Straßendreieck von Schleiz ein Feld neuer ersprießlicher Tätigkeit zum Wohle der Stadt zu erblicken.“

Der Aufstieg und das zeitweilige Ende

1924 – Paul Rüttchen gewann ersten Schleizer Pokal

Hier versucht Burggaller (Berlin) auf BMW heil durch die Haarnadelkurve zu kommen.
Hier versucht Burggaller (Berlin) auf BMW heil durch die Haarnadelkurve zu kommen.

Am 15. Juni fand unter Federführung des ADAC Club e.V. Sitz München die Deutsche Kraftrad Straßenmeisterschaft auf dem Schleizer Dreieck statt.
Für die Leitung der Veranstaltung waren Sportpräsident Dr. Bruckmayer aus München, Carl Slevogt aus Apolda und Johannes Wächter aus Schleiz bestimmt worden. Letzterer wurde dann im Jahre 1929 der erste Rennleiter aus Schleiz. Johannes Wächter hatte diese Position dann bis 1933 inne.

An den Start gingen damals Motorräder wie Evans, Elster, Heilo, Megola, Cockerell, Baumeister, Cotton, Blackburn, Bekamo, Eichler, Baier, Coventry, Curwy, Imperia usw. Leider sind diese heute kaum noch bekannt.

Erstmals erfolgte der Start auf der Oberböhmsdorfer Geraden.
Schnellster Mann des Tages auf einer Megola mit Sternmotor im Vorderrad wurde der bald zum Publikumsliebling erklärte Toni Bauhofer aus München. Bauhofer erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 82,7km/h.

Bereits 10.000 Zuschauer wurden 1924 gezählt, die mit Motorrad, Fahrrad, PKW, LKW, Bus oder zu Fuß an die Strecke gekommen waren.

Zu den Bedingungen ist folgendes bekannt:
„Keine Strohballensicherung an den Kurven, keine Asphaltdecke, Bäume unmittelbar an der Straße, tiefe Chausseegräben, über Federungen der Maschinen gar nicht zu reden – es war härteste Arbeit für die mutigen Männer.“

Es geht aufwärts mit den Besucherzahlen

Der Aufstieg und das zeitweilige Ende 1927 – 1931

rechts im Bild, Toni Bauhofer - 1924, mit der Megola
rechts im Bild, Toni Bauhofer – 1924, mit der Megola

1927 – Es war das Jahr, in dem sich bei den Schleizern Sorgenfalten ausprägten. Die Renntechnik hatte sich so schnell entwickelt, nun gab es Stirnrunzeln wegen der Straßenbeschaffenheit. Die Konkurrenz (Solitude, Nürburgring u.a.) hatte da schon mehr zu bieten.
In Thüringen fehlte es an Geld. Trotzdem war das Schleizer Dreieckrennen wieder als Lauf um die Deutschen Straßenmeisterschaften für den 21. August 1927 ausgeschrieben worden. Die etwa 15.000 Zuschauer sahen durchweg sehr schnelle Rennen. Willi Henkelmann aus Wanne-Eickel brachte es in der Klasse bis 175 ccm schon auf sehr beachtliche 73,6 km/h, 16 km/h schneller als der Vorjahressieger.

In der 250er-Klasse gewann ein Fahrer, der auch nach dem Krieg noch von sich reden machte: Walfried Winkler aus Chemnitz.Die Begeisterung des Publikums aber gehörte diesmal einem Mann, dem es erstmals gelang, drei Jahre hintereinander als Erster über die Ziellinie zu fahren. Es war in den Klassen bis 1000 ccm Paul Rüttchen aus Erkelenz (Harley Davidson). Er konnte den ersten von der Stadt gestifteten Wanderpokal mit nach Hause nehmen. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis das einem zweiten Fahrer gelang. Aber das Schleizer Dreieck hatte noch immer keine geschlossene Asphaltdecke, die Straße war nur vier bis fünf Meter breit, umsäumt von Bäumen und Abhängen. An besonders gefärdeten Kurven gab es jedoch zum ersten Mal Sandsäcke.

1928 – Es geht aufwärts mit den Besucherzahlen, bereits 35.000 umsäumten die Strecke.
Erstmals sah man, aufgebaut von Facharbeitern der Schleizer Firma Schwalbe, drei hölzerne Straßenübergänge. Das Hauptinteresse galt dem erwartetem Kampf zwischen Toni Bauhofer auf der 500er BMW und den drei 1000 ccm Harley Davidson, gefahren von Rüttchen, Weyres und Heck.
Zunächst konnte Rüttchen den Schleizer Publikumsliebling noch bedrängen, der in der 10. Runde auf dieser Straße sagenhafte 113km/h erreichte. Das Affentempo hielt Rüttchen nicht durch, er mußte aufgeben. Bauhofer drosselte dann das Tempo und gewann mit einem Schnitt von 94,2 km/h mit vier Minuten Vorsprung vor Heck, Weyres wurde Dritter. Hochachtung vor dem Leipziger Albert Richter auf Raleigh, dem in der letzten Runde in der Haarnadelkurve das Benzin ausging und der dann die schwere 350er-Maschine die fast 3 Kilometer bis ins Ziel auf der Heinrichruher Höhe schob. Es reichte noch zum 3. Platz. Auch das sagt etwas über die Abstände aus. Die Klasse bis 175 ccm verabschiedete sich von Schleiz, noch ganze drei Maschinen hatten das Rennen aufgenommen. Seinen zweiten Sieg feierte in der Klasse bis 250 ccm Waldfried Winkler, er sollte in Schleiz ebenfalls noch öfters auf dem Siegerpodest stehen.


1929 – Im April wurden die Schleizer Stadtväter unruhig, da sie noch keinen Termin für “ihr” Dreieckrennen hatten.
Recht kurzfristig wurde dann der 15. September festgelegt. Erwähnenswert aus Schleizer Sicht: Erstmals kam die Rennleitung aus der kleinen Stadt, als Rennleiter wurde Johannes Wächter benannt, seit 1920 Leiter der Zweigstelle Schleiz der Allgemeinen Deutschen Creditanstalt Leipzig. Weiterhin erfreulich die 100.000 Zuschauer, das brachte auch finanziell wieder Luft. Auf der Strecke waren die schlechtesten Stellen instandgesetzt worden. Der Streckenteil Heinrichsruh – Waldkurve wurde mit feinem Klarschlag bestreut, also mit feinem Kies. Und da erreicht man solche Geschwindigkeiten – unvorstellbar!

In Abwesenheit von Toni Bauhofer siegte erstmals einer der bekanntesten Rennfahrer der damaligen Zeit, Hans Soenius aus Köln auf der 500er BMW mit 99,7 km/h vor Klein aus Waldkirch. Die beiden fuhren mit 107 km/h auch die schnellste Runde. Soenius war um 16 km/h als der Sieger der großen Klasse bis 1000 ccm, Sepp Giggenbach aus München.

Die Schleizer Rennleitung hatte erstmals mit drei Sonderläufen für Ausweisfahrer auch dem Nachwuchs eine Chance eingeräumt, und das blieb dann, von Ausnahmen abgesehen, bis in die jüngste Zeit so. Die fast ausschließlich mit Schleizern besetzte Rennleitung hatte ihre Bewährungsprobe bestanden.

1930 – Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise mit steigender Arbeitslosigkeit blieb das Schleizer Dreieck Anziehungspunkt für die Rennsportbegeisterten. Wieder etwa 120.000 Zuschauer, die bis zum Schluß aushielten, obwohl es regnete. Held des Tages zu diesem 8. Schleizer Dreieckrennen wurde, wie könnte es anders sein, Toni Bauhofer.

Zum ersten Mal internationale Beteiligung

Der Aufstieg und das zeitweilige Ende 1931 – 1933

Zwei von der Schleizer Rennleitung, die sich von 1929 bis 1933 bewährt hat. Rechts Rennleiter Johannes Wächter, links Viktor Gräf
Zwei von der Schleizer Rennleitung, die sich von 1929 bis 1933 bewährt hat. Rechts Rennleiter Johannes Wächter, links Viktor Gräf

1931 – Das Schleizer Dreieckrennen zum ersten Mal international! Bekannt geworden war es ja nun in Rennsportkreisen. Der englische Meisterfahrer Tom Bullus konnte verpflichtet werden. Wieder 100.000 Besucher fieberten dem angekündigten Zweikampf Bullus – Bauhofer entgegen. Bullus hatte schon vor dem Training phantastische Zeiten vorgelegt.

Zum Hauptrennen starteten wieder die 1000ccm-Maschinen zuerst, eine Minute später folgte die Halbliterklasse. Zwei Runden sah es nach einem spannungsreichen Rennen aus, aber durch eine Sturz Bauhofers auf regennasser Straße in der 3. Runde wurde es dann eine einseitige Angelegenheit. Und nun machte der Engländer das gleiche wie ein Jahr zuvor Bauhofer. Er überholte alles, schien gefeierter Sieger zu werden. Aber in der 13. Runde geschah es. Bullus konnte einem undisziplinierten Zuschauer, der trotz gegenteiliger Anordnung über die Straße lief, nicht mehr ausweichen. Wie durch ein Wunder wurden beide nur leicht verletzt. In diesem Rennen erreichten nur zwei von 15 gestarteten Fahrern das Ziel. So wurde trotz Sturzes wieder Paul Rüttchen in der Klasse bis 1000 ccm, diesmal auf einer NSU, mit 93,3 km/h schnellster Mann des Tages.

1932 – Doppeltes Jubiläum für Schleiz: 700-Jahrfeier und das 10. Schleizer Dreieckrennen. In der Festzeitschrift zur 700-Jahrfeier resümierte Rennleiter Johannes Wächter: “Von den Kreis- und Stadtbehörden wird den Veranstaltern das größtmögliche Entgegenkommen gezeigt, um das Rennen als bedeutsamen Wirtschaftsfaktor für die Stadt und die weitere Umgebung auch künftig zu erhalten.”

Letzteres paßt genau in die heutige Zeit, ist wieder modern.

Zum vierten Mal hintereinander kamen abermals an die 100.000 Besucher. Durch Krankheit von Bullus entfiel das erwartete Duell mit Bauhofer, aber die NSU-Werke schickten einen Nachwuchsfahrer, der schon bald zu den ganz Großen des deutschen Motorsports gehören sollte – Bernd Rosemeyer.

Die beiden großen Klassen gingen wieder mit Minuenabstand auf die Reise.

Der junge Rosemeyer versetzte alles in Erstaunen, fuhr wie ein “alter Hase” ließ Männer wie Bauhofer, dessen 4. Platz jedoch zum Titel Deutscher Straßenmeister 1932 reichte, Klein, Kohlus u.a. hinter sich – bis auf Paul Rüttchen, den Sieger der Klasse bis 1000 ccm. Auf 101,04 km/h schraubte Rosemeyer den Klassenrekord bei den Halblitermaschinen. Tagesschnellster aber wurde wiederum Paul Rüttchen mit 105,11 km/h, nachdem er mit seiner NSU eine superschnelle Runde mit 116,5 km/h gefahren war.

Zweimal fuhren Sie im
Zweimal fuhren Sie im “toten Rennen” über den Zielstrich: Walfried Winkler und Arthur Geiß mit ihren schnellen 250 ccm DKW

Ein neues Kunststück führen die DKW-Fahrer Arthur Geiß und Waldfried Winkler in der Klasse bis 250 ccm vor. Sie rasten im “toten Rennen” über die Ziellinie. Hans Kahrmann sicherte sich mit einem 3. Platz an diesem September-Sonntag ebenfalls den Meistertitel. In der Klasse bis 350 ccm siegte die Imperia-Mannschaft mit Loof und Schanz. Einen zusätzlich angesetzten Jubiläumslauf über 10 Runden gewann Paul Rüttchen.

1933 – Wagenrennen in Schleiz. Viel FÜR und WIDER gab es, aber nachdem der Wagenrennfahrer Walter Bäumer aus Bünden in Westfalen auf Bitte von Rennleiter Wächter zusammen mit Bernd Rosemeyer im Juni die Strecke abgefahren war und das Urteil sehr positiv ausfiel, wagte man es.
Einen neuen Rekord verzeichnete dieses 11. Rennen mit 172 Nennungen, davon alledings nur 15 Automobile. Das Wagenrennen erfüllte die Erwartungen nicht, durch viele Ausfälle wurde es sehr farblos, nur vier Wagen im Ziel. Als Sieger trug sich hier Bobby Kohlrausch aus Eisenach mit dem kleinen Austin (96,96 km/h) ein. Bei den Motorrädern aber bekamen die 100.000 ausgezeichneten Sport geboten. Doch standen die Zuschauer in den ersten Jahren noch am Straßenrand, wurde die Absperrung jetzt, ausgelöst auch durch mehrere Unfälle, zum Teil erheblich zurückgenommen.
Wieder einmal wollte es Toni Bauhofer wissen. Nach einigen Runden hatte er das Feld bereits wieder vor sich. Doch dieses Tempo hielt die Maschine nicht durch. So war der Weg frei für Otto Ley aus Nürnberg, der hier vor Schmitz (Köln) und Steinbach (Mannheim) siegte. Im Rennen der Klasse bis 250 ccm gab es bis zum 3. Platz haargenau das gleiche Ergebniss wie im Vorjahr, Geiß und Winkler wieder im “toten Rennen”. Gekonnter Werbetrick der DKW-Leute? Den Lauf der schweren Klassen über 200 Kilometer beendete Bernd Rosemeyer auf der 1000 ccm-NSU als Sieger. Leider verunklückte an diesem Tag der Fahrer Walter Hartmann aus Hildesheim tödlich. Ein Verschulden der Organisation lag aber nicht vor.

1934 – Die Veränderung der politischen Bühne in Deutschland blieb nicht ohne Auswirkung auf das Schleizer Dreieck. Der so erfolgreichen und aufopferungsvoll tätigen Schleizer Rennleitung wurde das Heft aus der Hand genommen. Als Veranstalter trat nun die Oberste Nationale Sportbehörde (ONS) in Erscheinung. Die sportliche Durchführung hatte der DDAC (vorher ADAC) zu gewährleisten, die Streckenorganisation oblag dem NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps). Der Rennleiter kam aus Berlin. Nachweislich gab es schon bald Gerüchte über das “AUS” für die Schleizer Rennstrecke. Die Stadt Schleiz war nicht in der Lage, die so dringende Asphaltierung zur Verbreiterung des Prinzessinnenweges (Heinrichsruh – Waldkurve) vorzunehmen und Gefahrenpunkte zu beseitigen. Alles deutete auf eine Rennstrecke in Sachsen hin, den späteren Sachsenring, wo die KFZ-Industrie zu Hause war.Diese Rennstrecke erhielt 1934 den Zuschlag zur Austragung für den Großen Motorradpreis in Deutschland. Das 12. Schleizer Dreieckrennen wurde für den 16. September als Deutscher Meisterschaftslauf ausgeschrieben.

Die ersten Wiederbelebungsversuche

Die Nachkriegsrennen im Spannungsfeld der der Ost-West-Gegensätze 1948

Start der 250-ccm-Klasse, Hönig (1), Hennesen. (96)
Start der 250-ccm-Klasse, Hönig (1), Hennesen. (96)

11 Jahre nach dem letzten Vorkriegsrennen wurde das Schleizer Dreieck behutsam, Schritt für Schritt, wieder zum Leben erweckt. In den Jahren 1947/48 getrauten sich die ersten “Unentwegten”, ihre zerlegten, unter Stroh in Scheunen verborgenen, auf dem Dachboden oder im Keller versteckten und auf diese Weise vor der Requirierung durch die Wehrmacht geretteten Vorkriegsrennmaschinen wieder ans Tageslicht zu bringen.

Natürlich zog es die Thüringer Ex- und jungen heißspornigen Möchtegern-Rennfahrer nach Schleiz aufs Dreieck, dieser traditionsreichen Geburtsstätte des deutschen Motorrad-Straßen Rennsports.

Da tauchte Sonntags morgens der Familien-Rennstall “Henne” aus Greiz-Zoghaus mit Vater Walter, Vorkriegs-Lizenzfahrer, und Sohn Roland, ehrgeiziger Nachwuchs auf, aus dessen LKW eine 250er DKW-L zwei Nortons, 350 und 500 ccm, und wenn´s gut ging auch mal ein 1000er Jap-Seitenwagen Gespann entladen wurde. Und schon ging´s los. Trainingsrunden, Fachsimpeleien, Einstellarbeiten wechselten sich ab, ein Sonntagsvergnügen vom feinsten. Da gab Max Ludwig aus Apolda seiner Moto-Guzzi die Sporen und Eberhard Scheller aus Erfurt probierte seine 350er Ariel und die 500er TEC.

Nicht zu vergessen die einheimischen Lokalmatadoren: Werner Schneider mit PS-Tüftler-Vater Willi und ihrer Eigenbau-AJS, Herbert Degel, der mit weniger Fachkenntnis belastet, seine Zweizylinder-Triumph zur Freude seiner Fans giftig aufheulen ließ, aber auch Albert Ludwig, Walter Knoch aus Lichtenbrunn, Werner Winkler aus Möschlitz und manch anderer waren auf dem Dreieck zu hören und zu sehen.

Verkehrsgefährdung? Kaum!
So kurz nach dem Kriege sah man wenig Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Benzin und Ersatzteile fehlten hinten und vorne, und die naheliegende Zonengrenze ließ keinen Durchgangsverkehr entstehen. Das Dreieck träumte so vor sich hin.

Diese ersten geräuschvollen Regungen waren die Vorboten für eine Initiative Jenaer Motorsportfreunde, eine Trainingsveranstaltung mit behördlicher Genehmigung, d. h. vor allem mit Zustimmung der sowjetischen Besatzungsmacht, auf dem Schleizer Dreieck durchzuführen. Das klappte. Eines Tages wurde für ca. 20 Maschinen die Strecke 2 Stunden lang offiziell gesperrt. Für kurze Zeit kam das alte, faszinierende Schleizer Rennmilieu wieder zum Vorschein. Man sprach sogar von einem offiziellen Training für ein späteres Rennen. Die Freunde des Schleizer Dreieckrennens schöpften Hoffnung auf eine Wiedergeburt ihres Rennens.

Das erste Motorradrennen in der Ostzone

1948:
1948: “Fahrerlager”

Und tatsächlich, am 17.10.1948 wurde das erste Motorradrennen, offizielle Bezeichnung “Vergleichsrennen”, in der damaligen Ostzone auf dem Schleizer Dreieck gestartet. Wenn auch inoffiziell, der Anfang war gemach. Initiator war Ing. Helmut Weber aus Jena, späterer 2. Vorsitzender der im Juni 1949 gebildeten zentralen Motor-Sport-Kommission. Die Veranstaltung war durchaus gut organisiert. Sie war mit Polizeikräften, Sanitätern und Krankenwagen abgesichert und eine Zeitnahme überwachte die gefahrenen Runden und Zeiten der 60 Teilnehmer.

Natürlich mußten die Fahrer mit einer Landstraße vorlieb nehmen, die über 10 Jahre lang nur mit einfachsten Ausbesserungsarbeiten am Leben erhalten wurde, über die Panzer und anderes schweres Kriegsgerät mit ihrer hochgradigen Belastung gerollt sind, deren Schlaglöcher mit Braunkohlenasphalt ausgefüllt wurden und die durchweg unmittelbar am Straßenrand mit Obstbäumen, Allee- oder Waldbäumen bzw. großvolumigen Straßenrandsteinen aus Granit begrenzt war. Dahinter lag der bis zu 2 Meter tiefe Straßengraben, wenn nicht sogar eine noch tiefere Böschung.

Mehr als 5 bis 6 Meter Breite gab die Straße nicht her. Streckenweise konnte man die Straßendecke mit einem Waschbrett vergleichen. Mit diesem Straßenzustand mußten die Rennen von 1949 bis 1951 bis auf geringfügige Ausbesserungen der Straßenoberfläche auskommen. Erst nach Projektierungsarbeiten 1951 begann im Jahre 1952 mit dem Streckenteil Buchhübel-Lindenwegkurve eine totale Streckenrekonstruktion!

Stroh zur Abdeckung gefährlicher Stellen war zum Probegalopp kaum vorhanden. Aber der Elan der Rennfahrer war durch nichts zu bremsen. Sie alle waren besessen, wieder einmal Rennen zu fahren. Sicherheitsfragen wurden in die nächsten Jahre verschoben. Der prominenteste Teilnehmer dieses Treffens war der Vorkriegs-Werksfahrer von DKW-Auto-Union Siegfried Wünsche, der mit einer Geländesport-DKW (240ccm) bei den Maschinen bis 350 ccm siegte und den Freyburger Kurt Maul (später disqualifiziert) und den Schleizer Werner Schneider auf die Plätze verwies. Bei den Viertelliter-Maschinen wurde Horst Hönig aus Langenstriegis vor Fritz Krüger-Jena und Albert Ludwig-Schleiz als Klassensieger abgewinkt.

Das Rennen der 4 Seitenwagengespanne wurde nach einem schweren Sturz von Soest/Treffurt-Erfurt abgebrochen. Aufmerksamkeit erregte die Anwesenheit von Oberingenieur Prüssing, des früheren Leiters vom Rennstall der DKW-Auto-Union und Konstrukteurs der DKW-Vorkriegs-Rennmaschinen.

Die Nachkriegsrennen im Spannungsfeld der Ost-West-Gegensätze 1949

Veranstalter des ersten offiziellen Nachkriegsrennen: Stadt Schleiz

1948: Schleizer Lokalmatadoren: v.l. Werner Schneider, Walter Knoch, Werner Winkler
1948: Schleizer Lokalmatadoren: v.l. Werner Schneider, Walter Knoch, Werner Winkler

Daß es zum 16. Schleizer Dreieckrennen am 18.09.1949 kam, ist vor allem dem damaligen Schleizer Bürgermeister Karl Mathes zu verdanken. Obwohl die Potsdamer Beschlüsse Großveranstaltungen wie das Dreieckrennen nicht zuließen, nahm er, getragen von einer Welle der Zustimmung unter der Bevölkerung und den neuen gesellschaftlichen Kräften, den Kampf um die Veranstaltungsgenehmigung durch die Besatzungsmacht auf.

Ohne die schriftliche Zustimmung in den Händen, begann er im Vertrauen auf einen letztendlich guten Ausgang, den Organisationsapparat zum Laufen zu bringen. In Ermangelung geeigneter anderer örtlicher Organisationsstrukturen machte er seinen Stadtrat zum Veranstalter und übernahm selbst als Veranstaltungsleiter die Gesamtverantwortung für das Rennen. Dabei hatte er die volle Unterstützung der Kreisverwaltung und des Landrates persönlich, der selbst als Sportkommissar tätig war. Für den ordnungsgemäßen sportlichen Ablauf sorgten als Rennleiter der Textilkaufmann und Vorkriegsrennfunktionär Wilhelm Wolf, dem als Organisationleiter der verdienstvolle Vorkriegsrennleiter Johannes Wächter zur Seite stand.
1949 - Rennleiter Wilhelm Wolf, Schleiz
Hoch anzuerkennen ist, daß in dieser historisch einmaligen Chance der Wiedergeburt des Schleizer Dreieckrennens die Verantwortlichen der Stadt und des Kreises das Ruder in die Hand nahmen und in Erkennung der großen wirtschaftlichen Bedeutung den Anspruch anmeldeten, daß Schleiz Rennstadt bleibt.

Erst Minuten vor dem offiziellen Start, so berichtet Karl Mathes, übergab ihm der als Ehrengast anwesende General Rossow von der Sowjetischen Militäradministration Deutschland die schriftliche Genehmigung zur Durchführung dieser Großveranstaltung. Bis dahin war alles noch illegal und vor allem eine reine Glückssache. Trotz dieser Unsicherheiten im Vorfeld der Veranstaltung war der Schirmherr kein geringerer als der Ministerpräsident des Landes Thüringen, Werner Eggerath, der es sich nicht nehmen ließ, dem ersten Nachkriegsrennen beizuwohnen. Die sportliche Gesamtaufsicht hatte die MSK der Ostzone.

1949 – 160.000 beim ersten Nachkriegsrennen auf dem Dreieck

1949 - Zeitgeschichte im Bild
1949 – Zeitgeschichte im Bild

Das Nennungsergebnis war für die damaligen Verlhältnisse phantastisch. 56 Lizenzfahrer und 140 Ausweisfahrer gaben ihre Nennung ab. Mehr als 20 Fahrer kamen aus dem westlichen Teil Deutschlands. Mit Sonderzügen, Holzgas-LKW, auf Fahrrädern und zu Fuß pilgerten an die 160.000 Menschen nach Schleiz. Die wenigsten kamen mit privaten Kraftfahrzeugen.

Erstmals machte das Schleizer Publikum Bekanntschaft mit den damals noch PS-schwachen 125-ccm-Maschinen, die es durchaus vertrugen, wenn am Heinrichsruher Berg der Fahrer mit wippenden Oberkörper zusätzlichen Schwung zu holen versuchte. Helmut Eisner – Dresden (DKW) siegte nach 47km mit einer Durchschnittsgeschvindigkeit von 84,25 km/h und konnte seinem ärgsten Kontrahenten, dem Gornauer Hermann Scherzer (Ifa-DKW) das Nachsehen geben.

Walfried Winkler – Pößneck, ehemaliger Werksfahrer von DKW-Auto-Union, brachte eine superschnelle DKW-Kompressor-Eigenbau-Maschine an den Start und siegte überlegen in der Klasse bis 250 ccm, ohne daß er die Maschine voll ausfahren mußte.

1949 - Martin Limmer - Greiz, Sieger der Klasse bis 350 ccm AusweisDer erfolgreiche, von den Zuschauern mit Spannung erwartete Greizer Ausweisfahrer Martin Limmer kam aus technischen Gründen zu spät zum Startplatz. Das Fahrerfeld war bereits den Blicken entschwunden, als er sich an die Verfolgung machte. Was sich dann abspielte war eine Aufholjagd “par excellence”. Bereits in der 2. Runde hatte er alle Konkurrenten überholt und siegte nach 47 km mit 48 Sekunden Vorsprung.

1949: Horst Hönig auf der EhrenrundeEinen hervorragenden Eindruck machte der Ausweisfahrer Horst Hönig aus Langenstriegis. In der Ausweis-Klasse bis 250 ccm fuhr er mit seiner Ladepumpen-DKW einen beachtlichen Start-Ziel-Sieg heraus, obwohl er durch einen Schalthebelbruch ab der 3. Runde gehandikapt war.

Die Nachkriegsrennen im Spannungsfeld der Ost-West-Gegensätze 1949 – 1950

Unter schwierigen Bedingungen zu den Gesamtdeutschen Meisterschaften

Die Sieger der Klasse bis 500 ccm. v.l. Erich Wünsche - Dresden und Matthias Berger - Erfurt
Die Sieger der Klasse bis 500 ccm. v.l. Erich Wünsche – Dresden und Matthias Berger – Erfurt

Erich Wünsche – Dresden (Norton), zur damaligen Zeit erfolgreichster Ostzonenfahrer, fuhr mit 107,86 km/h die schnellste Zeit des Tages. Bei diesem Lauf der 500-ccm-Maschinen starteten Lizenzfahrer und Ausweisfahrer gemeinsam. Matthias Berger – Erfurt, bekannt durch seinen ausgezeichneten Fahrstil, übequerte mit seiner BMW als Zweiter die Ziellinie und wurde damit Sieger der Ausweisklasse. Ihm folgte der Ausweisfahrer Walter Knoch – Lichtenbrunn (NSU), der mit diesem 2. Platz auf sich aufmerksam machte und erkennen ließ, daß in Zukunft mit ihm zu rechnen ist.

Die weiteren Sieger waren Arthur Flemming – Berlin (250 ccm Saugm.), August Simon – Eisenach (350 ccm – Lizenz), Erich Schmutzler – Neundorf b. Plauen (125 ccm Ausweis).

1950 – Gesamtdeutsche Meisterschaften Hochstimmung unter den Zuschauern

Das 17. Schleizer Dreieckrennen mußte unter Bedingungen organisiert werden, die von wesentlichen Veränderungen der politischen, gesellschaftlichen und sportlichen Strukturen abhängig waren. An die Stelle der Ostzone war die DDR getreten. Der bis dahin strukturenfreie Raum im Sport wurde ausgefüllt von dem neu gebildeten Deutschen Sportausschuß, der für alle sportlichen Aktvitäten in der DDR die Oberhoheit übernahm und auch als Veranstalter des Schleizer Dreieckrennens 1950 auftrat. Eine Motorsport-Gemeinschaft (MSG) Schleiz war ins Leben gerufen woben, die mit der Durchführung des Rennens beauftragt wurde und – das war für die Motorsportfreunde und nicht nur für die das größte Geschenk – Schleiz wurde Austragungsort des 5. Gesamtdeutschen Meisterschaftslaufes. Sieben dieser Läufe gab es, zwei davon wurden in Ostdeutschland ausgetragen.

Viele Hoffnungen verbanden sich mit diesem kleinen, ersten Schritt in Richtung Wiedervereinigung. Die Stimmungslage dieser Tage läßt der offizielle Rennpressedienst des 17. Schleizer Dreieckrennens erahnen, in welchem der Pressereferent der MSK (Motorsportkommission der DDR) Herbert Beyer aus Leipzig schrieb:

“Zum ersten Male nach der Wiedergeburt des Motorsports in der DDR im Jahre 1949 wird jetzt der Wunschtraum der nach Hunderttausenden zählenden Motorsportfreunde im Osten Deutschlands Wirklichkeit, zum ersten Mal nach elfjähriger Pause wird wieder ein Gesamtdeutscher Meisterschaftslauf für die deutsche Motorrad-Straßenmeilsterschaft durchgeführt, zum ersten Mal können wir Wiedersehen feiern mit all unseren alten Bekannten, mit den gesamten Spitzenfahrern aus dem Westen unseres Vaterlandes. Über Zonengrenzen haben sie uns die Bruderhand gereicht, um in friedlichem Wettstreit im Rahmen des Schleizer Dreieckrennens, des 5. Laufes der Deutschen Motorrad-Straßenmeisterschaft 1950, Seite an Seite mit unseren Sportlern ihre Kräfte zu messen. Wieder ein Schritt weiter zu der von West und Ost lange herbeigesehnten Wiedervereinigung Deutschlands.”

250.000 Menschen auf den Beinen

1950 - 125-ccm-Sieger H. P. Müller mit Pechvogel Ewald Kluge
1950 – 125-ccm-Sieger H. P. Müller mit Pechvogel Ewald Kluge

Leider blieb es bei diesem einmaligen Zusammengehen der MSK der DDR und der OMK der Bundesrepublik. Bis zur Wiedervereinigung mußten noch 40 Jahre, teilweise in offener Feindschaft zwischen diesen beiden Verbänden, vergehen.

250.000 Menschen auf den Beinen

Noch im Januar 1950 wurde in Anwesenheit des 2. Vorsitzenden der MSK der DDR die Mortorsport-Gemeinschaft Schleiz aus der Taufe gehoben, deren Vorstand Hans Leichsenring und Johannes Wächter als 1. bzw. 2. Vorsitzender, Helmut Steinweg, Hermann Kiss, Hans Pörsch, Ernst Weber und Fritz Tischendorf angehörter. Sie wurde mit der Durchführung des kommenden Rennens beauftragt. Die Gründungsversammlung im Februar 1950 stieß auf eine große Resonanz der Schleizer Freunde des Dreieckrennens und gab den mit der Gesamtleitung des 17. Rennens beauftragten 1. Vorsitzenden die notwendige Rückenstärkung. Eine immense organisatorische Arbeit leistete Günter Tag aus Schleiz als Organisationsleiter, der in den folgenden Jahren durch seinen hohen persönlichen Einsatz wesentlich an der Konsolidierung der Schleizer Nachkriegsrennen beitrug.

Die offiziellen Startlisten zum Meisterschaftslauf am 23.07.1950 umfaßten genau 100 Fahrer in den 6 Lizenzklassen, wovon 71 aus dem Westen Deutschlands kamen. Namen wie Georg Meier, Heiner Fleischmann, Ewald Kluge, H. P. Müller, Siegfried Wünsche, Wiggerl Kraus, Walter Zeller, Hermann Böhm/Karl Fuchs brachten 250.000 Menschen aus beiden Teilen Deutschlands zu einer Pilgerfahrt nach Schleiz auf die Beine. An den Grenzübergängen – so berirchtete die Tagespresse – wurden die Rennbesucher aus dem Westen bevorzugt abgefertigt. Überall war Hochstimmung.

Das Training fand bei strahlendem Sonnenschein statt. Trainingsschnellster war Georg Meier – München (BMW-Kompressor) mit einer erzielten Geschwindigkeit von 126,57 km/h. Der Zwei-Zentner-Mann Heiner Fleischmann – Amberg und seine 4 Zentner schwere NSU-Kompressor-Maschine war 3,6 Sekunden langsamer. Dafür erreichte Fleischmann in der 350-ccm-Klasse die schnellste Trainingszeit. In der ViertelLiter-Klasse ließ Ewald Kluge mit 4:08,7 min = 112,79 km/h keinen Zweifel aufkommen, daß er der Herr des Feldes ist. Walfried Winkler steuerte seine DKW-Kompressor-Eigenbau-Maschine auf den 2. Startplatz. Auch in der Achtel-Liter-Klasse fuhr Kluge Trainingsbestzeit.

Auch bei “Schlechtem” Wetter “Gute” Rennen

Gefeierte Rennfahrer, atemberaubende Rennen, begeisterte Zuschauer

1950: Kluges Siegesfahrt mit der 250er Ladepumpen-Werks-DKW
1950: Kluges Siegesfahrt mit der 250er Ladepumpen-Werks-DKW

Der Schein guter Wetterbedingungen war trügerisch. Noch während des sonnabendlichen Empfangs in der Turnhalle der Oberschule ging ein schweres Gewitter nieder, das Teil einer umfangreichen Gewitterfront war, die über ganz Mitteldeutschland zog. Der Himmel öffnete seine Schleusen und schloß sie erst kurz vor Rennbeginn. Die Sonne blieb den ganzen Tag über hinter den Wolken verborgen. Trotzdem Zuschauerrekord!

Bei noch nicht abgetrockneter Straße schickte der Starter die 125er Klasse auf die 77,7-km-Distanz. Ewald Kluge voran, H. P. Müller dicht auf den Fersen, beide auf DKW-Kompressor-Maschinen, so preschten sie dem Felde voraus. Kluge konnte sich von Runde zu Runde mehr von seinem Verfolger absetzen. In der letzten Runde stieg die Spannung zum Zerreißen an, als Kluge in der Haarnadelkurve, wenige Kilometer vom Ziel am Alten Palais entfernt, die Zündkerze wechseln mußte. Reichte sein Vorsprung aus?… Zwei Fahrer jagten nebeneinander liegend den Heinrichsruher Berg hinauf, einer war eine halbe Radlänge voraus. Es war Müller, Kluge hatte das nachsehen. Die weiteren Plätze belegten Heiner Dietrich – Frankfurt/M. (Puch), Bernhard Petruschke – Kleinmachnow (Ifa-DKW) und P. H. Ried – Königswinter (DKW-L).

Nur wenige Minuten hatte Müller und Kluge, um auf die 250-ccm-DKW-Kompressor-Maschinen für das folgende Rennen umzusteigen. Wie in allen Klassen fuhren zwar die Kompressor-Maschinen und die Saugmotor-Maschinen gemeinsam in einem Rennen, wurden aber getrennt gewertet. Wie erfolgreich bereits die Entwicklungsarbeiten an den Saugmotoren waren, zeigten die Ergebnisse dieses 250er Laufes. Hermann Gablenz – Karlsruhe (Moto-Parilla) belegte mit seinem Saugmotor mit nur 17 Sekunden Rückstand und nach einem atemberaubenden Zweikampf mit Hein Thorn-Prikker – Godesberg (Moto-Guzzi ohne K.) den 2. Platz hinter Ewald Kluge auf der Kompressor-DKW. Kluge erreichte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 108,37 km/h.

In der letzten Runde kam für Thorn-Prikker das Aus: Motorschaden. H. P. Müller kam mit 3 Minuten Rückstand zum Sieger auf den 3. Platz. Winklers Kompressor-Maschine hielt nicht durch und der in Schleiz bekannte und beliebte Karl-Heinz Kirchner aus Erfurt stürzte in der Lindenwegkurve, an derselben Stelle, die ihm ein Jahr vorher einen Schädelbruch einbrachte. Diesmal brach er den Knöchel. Aber beim 3. Versuch, im Jahre 1952, war ihm der Sieg nicht zu nehmen.

Auch bei “Schlechtem” Wetter “Gute” Rennen

1950: Startvorbereitung der Klasse bis 350 ccm. v.l.n.r.: Heiß, Oelerich, Wünsche, Schön
1950: Startvorbereitung der Klasse bis 350 ccm. v.l.n.r.: Heiß, Oelerich, Wünsche, Schön

Heiner Fleischmann war der potentielle Sieger der Klasse bis 350 ccm. Mit Starthilfe, ein Stützkorsett vom Hals bis zur Hüfte als Folge eines Sturzes in Hockenheim tragend, nahm Fleischmann das Rennen aus der hintersten Startreihe auf. Kurze Zeit später führte er bereits das Feld an und baute seine Führung so aus, daß er ab Mitte des Rennens sogar das Tempo etwas zurücknehmen konnte. Allerdings hatte er die Rechnung ohne die Defekthexe gemacht. Zwei Runden vor Schluß zwang ihn ein Zündkerzenschaden zu einem kurzen Boxenstop.

1950: Heiner Fleischmann (350 ccm) mit TrainingsbestzeitDer genügte ” Siggi ” Wünsche, mit seiner Kompressor-DKW die Führung zu übernehmen und das Rennen als Sieger zu beenden. Einen packenden Zweikampf lieferten sich der Frankfurter Friedel Schön (Horex) und Rudolf Knees Ahlshausen (AJS), die ebenfalls Fleischmanns Boxenstop ausnutzen und sich vor ihn schieben konnten. Friedel Schön mußte in der vorletzten Runde, an 2. Stelle liegend, wegen Motorschaden aufgeben.

Nach einem starken Regenguß bei dem vorangegangenen Lauf der Gespanne (siehe Sonderabschnitt Gespanne) mußten die Fahrer der Klasse bis 500 ccm auf einer naßen, sehr langsam abtrocknenden Fahrbahn die 101-km-Distanz angehen.

Alle warteten gespannt auf das Duell Fleischmann-Meier. Leider fand es nicht statt. Heiner Fleischmann, gehändikapt durch die nötige Starthilfe, aber auch durch das 6 Zentner Gesamtgewicht, war auf diesem kurvenreichen Schleizer Dreieck dem “Gußeisernen” mit seiner beweglicheren BMW unterlegen. Der Sachsenring dagegen, mit seinen längeren Geraden und weniger Kurven, lag der PS-stärkeren NSU und ihrem Piloten wesentlich besser. Dort gelang ihm wenige Wochen später die Revanche. In Schleiz aber trennten Fleischmann 48 Sekunden von seinem siegenden Rivalen.